Sprengt die 20-Punkte-Skala. Bewertung: 20+/20
Pirmin Bilger: Der strahlt eine unglaubliche Schiefer-Mineralität und Feuerstein aus. Wenn ich an das Heldenstück zurückdenke, wird klar, dass dies ein ganz grosser Wein ist. Tiefgang und Kraft sind enorm. Am Gaumen zeigen sich die Wucht und die Intensität eines grossen Weines. Max Gerstl, 8. Juli: Hier steht eher die Frucht im Vordergrund, von erfrischender Zitrusfrucht über edle Tropenfrüchte bis zu einem Hauch Gelbfrucht ist alles vorhanden, was man sich nur wünschen kann. Im Hintergrund jede Menge die Sinne berauschende Mineralität, feine Gewürze mischen sich dazu, das ist eine wahre Duftorgie. Am Gaumen zeigt sich eine über alles erhabene Weinschönheit, hyperelegant und belebend, wiederum mit dem berauschenden Spiel aus sagenhafter Rasse und cremig weichem Schmelz, dazu eine irre innere Kraft. Das ist ein einzigartiger, geradezu spektakulärer Gänsehautwein. Ich stelle mir vor, wie dieser Wein in 20 Jahren schmecken könnte, der birgt ein Potenzial in sich, das alles bisher Gekannte in den Schatten stellt, man muss nur diesen minutenlangen, sagenhaft komplexen Nachhall beobachten, daraus lässt sich ableiten, was in diesem Wein noch alles schlummert. Der gehört ohne Zweifel zum Allergrössten, was ich je an trockenem Riesling verkostet habe.
Art: | Weisswein |
Inhalt: | Kleinflasche 0,375 l |
Jahrgang: | 2018 |
Traubensorte: | Riesling |
Trinktemperatur: | 08 - 10° C |
Region: | Mosel-Saar-Ruwer, Lieser Niederberg Helden |
Weinbauer: | Schloss Lieser |
Land: | Deutschland |
Deutschland - Der Schatz im Norden
Dort, wo viele aufgeben, fängt Deutschland an. Es besitzt nämlich die nördlichsten Weingebiete der Welt. Das typische Weissweinland musste sich aber nicht immer mit schwierigen klimatischen Bedingungen herumschlagen. In Deutschland gilt, wie an vielen anderen europäischen Orten auch, Kaiser Probus als Einführer des Weinbaus, der „Weiterführer“ war dann Karl der Grosse. Doch nicht nur Personen, auch das Klima beeinflusste den Weinbau im Mittelalter – genauer vom 9. bis zum 14. Jahrhundert – in Deutschland positiv. Die so genannte „Mittelalterliche Warmzeit“ bescherte dem damals Heiligen Römischen Reich ein besonders mildes Klima, die Durchschnittstemperatur war um ein Grad höher als im Allgemeinen und damit perfekt für das Gedeihen der Rebpflanze. Das war auch nötig, denn Wein wurde im Mittelalter viel getrunken. Er hatte den Vorteil, dass er aufgrund seines hohen Alkoholgehalts keimfreier und damit sauberer als Wasser war. Vor allem einheimischer Wein floss im Mittelalter in die Kehle der Deutschen. Das änderte sich während dem 30 jährigen Krieg schleichend. Die Konkurrenz aus Frankreich und Italien wuchs, deutscher Wein war im Überangebot vorhanden. Das zwang die Winzer zu Aufständen. Es floss Blut statt Wein und tausenden Bauern starben bei den Protesten. So wurde der Weinbau nach und nach vom lukrativeren Getreideanbau abgelöst. Auch das 18. Jahrhundert brachte dem Wein keinen erhofften Aufschwung. Der Staat tat kaum etwas für den Weinbau, die Bauern waren auf sich selber gestellt und lebten oft am Existenzminimum – Investitionen in neue Kellertechnik und Züchtung blieben auf der Strecke. Eine Reblausplage fegte zwei Drittel der Rebfläche weg. Der Rückgang des Weinbaus war damit aber noch nicht beendet: Eine allgemeine Wirtschaftskrise und der zweite Weltkrieg hemmten den Weinbau in Deutschland ebenfalls. 1960 kam dann endlich frischer Wind in die Weinproduktion Deutschlands. Verbesserungen in der Kellertechnik, neue Züchtungen und die Schädlingsbekämpfung wurden vorangetrieben – allerdings brauchte der Imagewandel des Deutschen Edeltropfens auf dem internationalen Markt seine Zeit. Doch Deutschland hat es geschafft. Sie brillieren heute vor allem mit der Erntemenge, aus 102'000 Hektaren Weinanbaufläche generieren sie etwas mehr als 9 Millionen Hektoliter leichte, nicht komplexe Weine. Dabei ist Deutschland ein typisches Weissweinland. Von 140 Sorten sind 100 weiss, Riesling und Rivaner dominieren hier. Bei den übrigen 40 roten Sorten sticht der Spätburgunder heraus. Weinbau in Deutschland ist keine einfache Sache, wird er doch rund um den 50. Breitengrad (etwa Höhe von Frankfurt am Main) oder ein wenig südlich betrieben, was im internationalen Vergleich ungewöhnlich „nördlich“ ist. Das bedeutet für Winzer, dass sie Rebberge nur an besonders gut geschützten Stellen und in der Nähe von Flüssen aufbauen können. Wein ist in Deutschland deshalb kein Alltagsgetränk, sondern wird vor allem an speziellen Anlässen und Ereignissen getrunken – zum Beispiel, wenn deutsche Winzer in Zukunft wieder mal mit einer „Neuen Warmzeit“ beglückt werden...